1. Einleitung
London galt bisher immer als Europas Finanzplatz. 90 Prozent aller in Euro gehandelten Derivate wurden in der britischen Hauptstadt gehandelt. Somit war der Finanzsektor des Vereinigten Königsreichs zugleich auch der Größte in der EU und somit für die Entwicklung des Europäischen Wirtschaftsraums von elementarer Bedeutung. Mit dem Brexit am 01. Januar 2021 kamen aber auch einige Änderungen und viele Experten prognostizierten einen erheblichen Wertverlust für Europa.
Auch sahen viele Brexit-Kritiker die Gefahr, dass das Vorhaben Großbritannien deutlich zurückwerfen würde. So unter anderem im Bereich der Kapitalverkehrsfreiheit, die eine wesentliche Säule der EU-Binnenmarktfreiheit darstellt. Bisher sind die Folgen für den europäischen Finanzmarkt in Bezug auf den Brexit aber noch nicht vollständig absehbar. Befürchtete Szenarien wie steigende Inflation und Lebenshaltungskosten sind bereits jetzt schon eingetreten.
2. Die Angst vor dem Brexit
Vor allem von der Finanzwelt wurde der Brexit befürchtet. Denn so verlor die Europäische Union nicht nur einen Teil der finanziellen Souveränität, sondern London als Europas Finanzplatz unterliegt seither auch nicht mehr den Regulierungsregeln für Banken. So könnte die britische Hauptstadt langfristig gesehen auch zu einem Offshore-Finanzplatz werden, der mit potenziellen Risiken behaftet ist. Schlussendlich würde es bedeuten, dass die britischen Banken ihre eigenen Regeln machen könnten, ohne dabei Rücksicht auf die EU nehmen zu müssen.
3. Der Brexit und die Finanzdienstleistungen
Vom Brexit aktiv betroffen waren vor allem die Aktienmärkte und der Wechselkurs des britischen Pfund. Hier wurden starke Schwankungen beobachtet. Als Basis für Finanztransaktionen diente bisher in der EU der Finanzpass. Die Lizenz einer nationalen Aufsichtsbehörde reichte dementsprechend für Aktivitäten in der gesamten EU aus. Ein Finanzprodukt bedurfte demnach nur einer einmaligen Zulassung in einem EU-Mitgliedsland, damit der Vertrieb in der gesamten Union erfolgen konnte. Der EU-Finanzpass ist jedoch zum 31. Dezember 2020 abgelaufen. Von den meisten Unternehmen wurde die Übergangszeit jedoch genutzt, um in einem EU-Land ein neues Unternehmen zu gründen und für dieses eine Erlaubnis zu beantragen. Auf diese Weise kann der EU-Markt von diesen Unternehmen weiter bedient werden.
Besonders hart trifft es hingegen die britischen Versicherer. Denn diese mussten ihre Policen mit deutschen Kunden kündigen. Die Situation des Marktzuganges kann sich langfristig jedoch etwas verbessern. Denn sowohl EU wie auch Großbritannien haben zusammen mit dem Abkommen eine Erklärung verabschiedet. In dieser ist eine wohlwollende Prüfung von Gleichwertigkeitsregelungen vorgesehen.
4. Handel und Co. – Was sich nach dem Brexit geändert hat
Der freie Handel mit dem Vereinigten Königreich war vor dem Brexit mit fast gar keinem administrativen Aufwand verbunden. Mit dem Brexit hat sich dies aber geändert. Zwar ist der Handel auch weiterhin ohne mengenmäßige Beschränkung möglich und auch Zölle werden nicht eingeführt, allerdings nur, sofern die neuen Ursprungsregeln eingehalten werden. Präferenzzölle gelten demnach für Waren, die vollständig in der EU oder Großbritannien gewonnen, wesentlich verarbeitet oder hergestellt werden.
Unternehmen müssen dementsprechend einen Herkunftsnachweis erbringen. Demnach müssen die Lieferketten vollständig nachgewiesen werden. Die dafür benötigten Unterlagen müssen mindestens vier Jahre lang aufbewahrt werden – ein bürokratischer Mehraufwand, der vor allem bei der Zollabfertigung zu Verzögerungen führt und somit Lieferkettenprobleme begünstigt.